Desert Rose

    ...und ein wehmütiger Gesang weht herüber, dort von den Zelten, des Beduinenvolkes. Die von ihm ausgehende Magie erweckt orientalische Träume aus irdenen Far-ben, händeverwobenen kostbaren Seidenfäden und fremdartig anmutenden Mustern, den Geschmack erhitzender Gewürze von Zimt und Ingwer... Laute Marktplatz-geräusche und bunte Buden, emsiges Treiben, dort in der Beduinenstadt. Der Schleier der Mystik legt sich um mich, hüllt mich ein, in die Wehmut, in die Sehnsucht nach tiefer Hingabe. Und ein Geheimnis tut sich kund...
    Ich bin eine Rose in der Wüste. Kleide mich in den schwarzroten Sari dieser festverschlossenen Blüte. Wachse dort im Sand, auf karger Erde, mit dem Hauch von Zau-berhaftigkeit, der sich spürbar um meine Schultern legt. Und ich tanze, wiege mich sachte in den Klängen dieses wehklagenden Liedes...
    Ich bin eine Rose in der Wüste. Tanze weiter, wehend, wie der Wind in meinem Haar. Die Knospe bricht auf. Und die Blüte erblüht. Flatternder leichter Seidenstoff, wirbelt sich um meine wogenden Hüften. Der Kelch öffnet sich weiter, entfaltet seine Blätter im Brausen der schmerzerfüllten Gesänge und der sehnsuchtsvollen Stimmen...
    Ich bin eine Rose in der Wüste. Ihr Duft gleicht dem eines schwerlastigen Parfüms, die vier Winde erfüllend. Wohlgerüche und unvergessliche Düfte, geborgen in der Wildnis psychedelischer Melodien. Jeder der davon trinkt, wird unvergessen bleiben und der Rausch... Der Wind weht weiter... und ein leidenschaftlicher Sturm erwacht. Schleier fallen in süßeste Berührungen...
    Ich lasse mich treiben, hinein in das Säuseln der getränkten Luft. Ich habe ihren Nek-tar gekostet. Dessen Tau haftet noch an meinen Lippen. Meine Zunge nimmt die Neige der letzten Tropfenperlen auf. Es ist der Saft der Liebe, extrahiert aus den Blättern der morgenfeuchten Blüte, vermischt mit sehnsüchtiger Wehmut, und wäh-rend ich fliege, fließend wie der flirrende Rosensari, verwandeln sich meine Flügel in Hände. Sie berühren den tanzenden Blätterreigen am Himmel. Ein transzendenter Schauer rinnt über meine Haut. Und die Blume verregnet Leidenschaft in jene selbstvergessene Einheit. Ich löse mich auf im roten Blütenmeer. Doch der Zauber hört nicht auf, und die Musik und die Magie, um das Wissen, dieses uralten Geheimnis-ses. Ich brenne, und verglühe im verebbenden Schleiertanz...
    Die Nomaden ziehen weiter. Eine einzelne Feuerstelle zeugt noch von ihrem Dagewesensein. Die klingenden Glöckchen der Frauen und das Rascheln der dünnen Seidenstoffe weben sich in die abklingenen Gesänge. Die Wüstenrose ist verwelkt. Die Wehmut ist geblieben und die Sehnsucht, jetzt nach dem Tanz, dort drüben, in der übernächtigten Beduinenstadt hastig abgebrochener Zelte.
    ...und die vier Winde erzählen noch immer die Geschichte der WüstenRose...


    Wüstenrose 26.04.2000

Mail an Wüstenrose zu "Desert Rose"