Gegenseitigkeit





Im Zimmer ist es still.
Nein. Nicht, das sich niemand in dem Raum befindet.
Musik ist zu hören. 2 Menschen befinden sich darin. Spielen Karten, weil sie nicht wissen, was sie miteinander reden sollen. Einfach so. Man findet keine Worte. Warum nicht?
Es gibt so viele, bei denen man Worte findet. Warum nicht jetzt? Liegt es an dem Gegenüber, liegt es an mir. Liegt es an dem Mond, der auf uns scheint?
Was ist es? Gelegentlich eine kleine Verlegenheitsfloskel, gelegentlich von beiden Seiten.
Man zeigt, das man die Situation in Griff hat. Man zeigt, das man das Schweigen unter Kontrolle hat und jeder Zeit losplappern könnte, wenn man nur wollte. Auf beiden Seiten ist trotzdem ein Unwohlsein zu finden. Das sieht man klar. Nur kann es keiner eingestehen, obwohl es beide sehen.
Jemand, den beide kennen und sehr schätzen, ist gerade weggegangen. Man wartet auf sein Wiedersehen.
"Ich bin gleich wieder da". Zeit vergeht leider nicht wie im Flug, sondern langsamer als eine Uhr, die steht, verrinnen kann. Verlegendes Gelächter, Kaltes Gesicht. Gott sei dank gibt es Kartenspiele,
Gott sei Dank muss man sich dabei dann nicht unbedingt unterhalten.
Muss nicht ständig den Raum inspizieren, den man eigentlich schon lange kennt und nichts neues dazu gekommen ist.
Das wäre noch schlimmer als einfach nur dazusitzen und Karten zu spielen und dabei zu schweigen.
Kein Thema ist zum Greifen nah. Keine Worte, die manchmal so leicht aus dem Munde sprudeln.
Kein Interesse. Das Schwarze Loch des Denkens. Kann es sein, das man so wenig gemeinsam hat?
Small Talk über das Wetter lohnt sich nicht. Es wäre so bewusst in beiden Köpfen, das sie sich dann schon dafür schämen würden. Also spielt man lieber ein Karten und sagt ab und zu mal was.
Nur eine Kleinigkeit. Um die beschämende Ruhe zweier Menschen zu durchbrechen, die scheinbar nichts gemeinsam haben und doch in einem Raum sitzen zur selben Zeit, es eigentlich gar nicht wollen und sich doch nicht trauen, das dem anderen zu sagen, um diesen ja nicht zu verletzen.
Blicke kreuzen sich nicht. Kein Kontakt. Das könnte den anderen auffordern, doch was zu sagen.
Wie ein bekanntes Spiel, ein Klassiker unter den Computerspielen, wirft man sich gegenseitig ein paar Worte zu.
Das Spiel geht so. Auf jeder Seite befindet sich ein beweglicher Balken. Die Worte sind der Ball.
Zwanghaft wird also versucht, dieser Worte wieder abzuprallen und dem anderen zuzuspielen, um zu sehen, ob dieser ihn trifft oder ob er ihn verfehlt und einen Punkt verliert. Das aber passiert nichts. Keines der einzelnen Wortfetzen schafft es, durch diese Barriere durchzudringen. Keiner lässt ihn durch. In seine Tiefen um sein Tor zu öffnen.
Der Freund kommt zurück. Beide Blicke gehen sofort auf ihn, als würden sie verzweifelt danach suchen. Endlich ist er da. Endlich ist der Schweigebrecher wieder da und rettet die Situation.
Jeder versucht das erste Wort zu haben, vielleicht versucht man auch, noch schnell miteinander doch noch ein nichtiges Thema zu finden, um nicht zu schweigsam zu erscheinen. Ein Bild zu produzieren, als ob doch etwas da wäre. Oder man reist einfach einen Witz. Endlich braucht man nicht mehr daran denken wie wenig man doch gemeinsam hat.
"Wollen wir Video schauen?".
Gerne.
Das ist und war immer noch der beste "sich belügen Killer", den man kennt. Man lässt einfach andere für sich reden.
Eigentlich hätte man daran ja gleich denken können.


Film ab.


Luc 22.01.2001



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